Grusswort der Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Frau Kerstin Schreyer MdL anlässlich der Dialogplattform des Bundesverbandes russischsprachiger Eltern

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

leider kann ich heute nicht persönlich bei Ihnen in der Villa Seidl sein. Sie haben sich wirklich ein außerordentlich schönes Ambiente für Ihre Begegnung ausgesucht, und ich wäre gerne Ihrer Einladung gefolgt. Allerdings bin ich schon vor längerem terminliche Verpflichtungen eingegangen, zu denen ich dann selbstverständlich stehe. Unabhängig davon ist es mir aber große Ehre, in meiner Funktion als Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staats­regie­rung anlässlich der Dialogplattform des „Bundesverbandes russischsprachiger Eltern“ einige Worte an Sie richten zu dürfen.

Die Russen stellen gemeinsam mit den Deutschen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion mittlerweile noch vor der türkeistämmigen Bevölkerung die größte Minderheit in Deutschland. Es leben hier also mehr Menschen mit Russisch als Muttersprache als mit jeder anderen nichtdeutschen Muttersprache einschließlich Türkisch. Nur, die wenigsten wissen das. In der öffentlichen Wahrnehmung sind Russen und Russlanddeutsche eine Gruppe unter vielen, die schon deshalb wenig auffällt, weil die meisten von Ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Und auch wenn es um Integrationsprobleme geht, ist von Russlandstämmigen schon seit geraumer Zeit nur noch selten die Rede. Alles auf gutem Wege also?

Richtig ist, dass Russen und Russlanddeutsche vergleichsweise gut integriert und nach einer Studie des Berlin-Instituts für Demographie und Entwicklung auch überdurchschnittlich erfolgreich sind. Sie sind strukturell sehr gut in unsere Gesellschaft eingebunden. Aber sind sie auch emotional „an­gekommen“? Fühlen sie sich als zugehörig, wirklich akzeptiert? Warum nutzen so viele von Ihnen nach wie vor vorrangig russische Medien? Wie konnte es geschehen, dass die, mutmaßlich frei erfundene, Erzählung eines russlanddeutschen Teenagers über angebliche Übergriffe durch Flüchtlinge so hohe Wellen schlug? Warum ist für viele Russen und Russlanddeutsche ihr Herkunftsland noch immer so ein wichtiger Bezugspunkt, obwohl ihr Lebensmittelpunkt längst bei uns in Deutschland liegt?

Diese Fragen müssen wir uns ernsthaft stellen. Der „Bundesverband der russischsprachigen Eltern“ hat vollkommen Recht, wenn er in seiner Einladung schreibt, viele Ihrer Landleute fühlten sich von deutschen Medien und deutscher Politik nicht angesprochen. Womöglich liegt es daran, dass sie sich in den hiesigen Medien und der hiesigen Politik zu wenig wahrgenommen fühlen. Kaum jemand kennt Ihre Anliegen und Probleme, während unsere Zeitungen und Magazine voll sind mit Berichten über die Integration der Flüchtlinge oder die Frage, wie das Zusammenleben mit den Muslimen am besten gelingen kann. Wer sich aber nicht wahr- und ernstgenommen fühlt, der stellt sich bald auch die Frage nach seiner Identität, wohin er gehört, zur neuen oder emotional doch noch zur alten Heimat.

Deshalb ist Ihr Engagement, die Arbeit des „Bundesverbandes der russischsprachigen Eltern“ so wichtig. Die russischsprachige Community in Deutschland braucht ein Forum und eine parteiübergreifende Vertretung ihrer Interessen. Sie braucht offene Diskussionen über ihre Identität, und die Frage, wie die Integration der Russlandstämmigen bei uns noch besser gelingen kann. Sie muss ihre Wertvorstellungen hier artikulieren und sich einbringen statt ihre Gefühle auf ein Herkunftsland zu richten, dass sie lange verlassen hat. Die Russischsprachigen gehören zu uns. Sie sind ein Teil Bayerns. Aber sie brauchen eine starke Stimme. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Stimme künftig deutlicher vernehmbar sein wird, und darf Ihnen auf diesem Wege meine Sympathie und Solidarität zusichern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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