Projekt AIPol: 3. Beiratssitzung, Berlin
Ergebnisprotokoll der 3. Beiratssitzung im Rahmen des Projektes "Politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft: Migrant*innenorganisationen als Träger aufsuchender interkultureller politischer Bildung". (AIPol)
Ort: Konferenzraum, DDR Museum, Karl-Liebknecht-Str. 1, 10178 Berlin + Videokonferenz (Zoom)
Datum: 08.09.2020, 14:00-16:00
Moderation: Victor Ostrovsky
Protokollführung: Yuriy Krotov
Anwesende Organisationen:
Deutsch Libanesische Gemeinde e.V.
Diamant – Sozialer Integrationsverein für Zuwanderer des Landkreises Barnim e. V.
Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland e.V.
Initiative DajZnak Frankfurt
Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung der Stadt Frankfurt am Main
Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V.
Pan-African Women’s Empowerment & Liberation Organisation (PAWLO) e.V.
Polnischer Sozialrat e.V.
Quarteera e.V.
Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.
Vereinigung Aserbaidschanischer Studierender und Wissenschaftler e.V.
Yaar - Bildung, Kultur, Begegnung e.V.
Zentralrat der Serben in Deutschland e.V.
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Am 8. September 2020 fand die 3. Beiratssitzung des Projekts AIPol statt. Unter strenger Einhaltung geltender Corona-Regeln konnten wir unsere 3. Beiratssitzung (BS) erfolgreich offline durchführen. Einige Teilnehmer*innen konnten sich aber auch online der Sitzung anschließen.
Als Einleitung erinnerte das Projektteam die Beiratsmitglieder an die Hintergründe und den Inhalt des Projekts: Populismus und Radikalismus sind zu einem globalen Phänomen geworden. Eine der Voraussetzungen für dieses Phänomen ist die mangelhafte Teilhabe an demokratischen Prozessen. Andererseits werden viele der in Deutschland lebenden Migrant*innen als der / die Andere angesehen: dies produziert Diskriminierung, Ausgrenzung, Intoleranz. Das Hauptziel des Projekts ist Bildung einer kompetenten Teilhabe der Migrant*innencommunities. Die Zukunftsvision des Projekts ist Bildung einer Allianz der Migrant*innenverbände für die nachhaltige Demokratie in Deutschland. Migrant*innen sollten zum Teil der deutschen politischen Nation werden.
Danach wurde der aktuelle Projektstand präsentiert. Bis zu dem Zeitpunkt der Beiratssitzung wurden 23 Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt. Es wurde vorgenommen, insgesamt 30 Multiplikator*innen aus den Migrant*innencommunities in den AIPol-Schulungen auszubilden. Die erste Gruppe bestand aus 17 Multiplikator*innen aus 15 Organisationen. Aufgrund des Coronavirus mussten die beiden Hälften der Schulung online durchgeführt werden. Thematisch befasste man sich im ersten Block der Schulung mit der politischen Teilhabe, Erinnerungskultur und Gender-Vielfalt. Im zweiten Block ging es um die Medienkompetenz. Der erste Schulungsblock für die zweite Gruppe der Multiplikator*innen fand einige Tage vor der 3. BS offline in Berlin statt. Dabei waren 18 Personen aus 16 Vereinen anwesend. Thematisch war die Schulung identisch mit der ersten Multiplikator*innengruppe. Eine Multiplikatorin konnte sich online per Zoom dazu schließen. Der zweite Block wird in der zweiten Oktoberhälfte stattfinden. Am 8. September findet die 3. BS statt. Die erste fand offline, die zweite online statt, die dritte findet im hybriden Format statt.
Im Rahmen des Projekts wurden ein Lernmodule entwickelt. Es geht um Erinnerungskultur. Jede*r ausgebildete Multiplikator*in sollte eine lokale Maßnahme vor Ort organisieren. Zum Zeitpunkt der BS befinden sich die Multiplikator*innen in der aktiven Vorbereitung. Bis zum Ende des Jahres sind insgesamt 30 lokale Maßnahmen geplant.
Nach der inhaltlichen Einleitung fand eine Fragerunde statt. Folgende wichtige Erkenntnisse lassen sich aus der Fragerunde zusammenfassen:
- Das Besondere am AIPol ist es, dass Communities selbst entscheiden, welche Themen und Formate für sie im Projekt wichtig sind. Somit werden die Themen, die in der Community "weh tun", angesprochen.
- In Ostdeutschland gibt es in den migrantischen Communities ein großes Interesse an Themen Verschwörungstheorie und Antisemitismus. Das ist eine Folge vom Attentat in Halle.
- Westdeutschland hat noch keine Einigung im Themenbereich der Erinnerungskultur mit Ostdeutschland. Die Erfahrungen der Ostdeutschen in diesem Bereich sind ähnlich mit den Erfahrungen der Migrant*innen: ungleichwertige Betrachtung der Menschen. Sollte man sich mit der ostdeutschen Geschichtsaufarbeitung auseinandersetzen und diese in die Debatte einfließen lassen? Z.B. in Ostdeutschland hat man eine längere Erfahrung im Umgang mit Menschen, die nicht an die Werte der Demokratie glauben. Diese Erfahrung könnte man sich anschauen.
- Der Beirat soll unter anderem als Ort für den Erfahrungsaustausch zwischen den Communities und für die gegenseitige Professionalisierung dienen.
- Im Rahmen des Projekts entstehen Synergien, weil man feststellen konnte, dass zwei völlig unterschiedliche Communities gleiche Bedürfnisse haben können, und dass zwei verschiedene Formate sich verbinden lassen.
- Geschichtliche Ereignisse können aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Der Zweite Weltkrieg ist beispielsweise aus der pan-afrikanischen Perspektive etwas ganz anderes als aus der deutschen Perspektive. Erweiterung der Perspektiven kann ausgearbeitet werden.
- In der politischen Bildung muss die gleiche Augenhöhe hergestellt werden. Dabei soll nicht vergessen werden, dass die deutsche Definition der politischen Bildung nicht "die einzige Wahrheit" ist, sondern eine Perspektive.
- Bei dem Thema Erinnerungskultur spielt der Aspekt der Generationen eine besondere Rolle. Wenn die erste Generation der Migrant*innen das Gefühl der Dankbarkeit hat, fühlt sich die zweite Generation mehr als Teil der Gesellschaft und geht mit vielen Themen (z.B. Antirassismusarbeit) kritischer um.
- Es ist wichtig, welche Wirkung aktuelle Ereignisse auf die Erinnerungskultur haben: sei es die Rolle von Deutschland zu der Lage in Afghanistan oder das Attentat von Halle innerhalb Deutschlands.
- Es ist kompliziert, eine adäquate Herangehensweise an die Erinnerungskultur zu finden, wenn man alle Ebenen miteinbezieht: Generationen, Perspektiven und Aktualität. Diese Aufgabe ist nur zusammen communitiesübergreifend lösbar. Der Beirat versteht sich als der Ort, an dem eine entsprechende Allianz für die gemeinsame Besprechung schwieriger Themen entsteht.
- Es ist wichtig, Menschen zu fragen, was ihrer Ansicht nach, in der deutschen Politik falsch gemacht wird. Es muss ein Zugang zu den Entscheidungstreffer*innen (Politiker*innen) hergestellt werden.
- Zwei Strategien für das gemeinsame Herangehen an die geschichtliche Aufarbeitung oder an die Erinnerungskultur sind vorstellbar: entweder eine rein historische Perspektive oder Findung gemeinsamer positiver historischer Ereignisse.
- Akteur*innen, die die deutsche politische Bildung „herstellen“ (Landeszentralen für politische Bildung oder bpb) kann man in das Projekt einbeziehen.
- In mehreren Communities (z.B. serbische oder aserbaidschanische Gemeinden) dominieren heimatorientierte politische Debatten, die Communities sind aber an dem Punkt angekommen, an dem sie sich davon distanzieren müssen. Der Beirat wird als eine Möglichkeit zur Entwicklung bestimmter Instrumenten angesehen, die migrantischen Gemeinden helfen können, sich gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu öffnen.
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