Das ist keine Propaganda! Seminar zur LGBTIQ+-Geschichte während der Pride-Woche in Berlin
„Macht was ihr wollt, aber bloß keine Propaganda!“ - diese Worte hört man in der russischsprachigen Community oft, wenn es um LGBTIQ+-Themen geht. Und so lautete auch der Titel des Seminars, das der BVRE während der Pride-Woche in Berlin organisiert und durchgeführt hat.
Der LGBTIQ+-Aktivist Wanja Kilber erstellt gemeinsam mit dem Publikum eine Chronologie des Kampfes um das Recht auf individuelle sexuelle Orientierung im 20. und 21. Jahrhundert. Die Verfolgung im Nationalsozialismus in Deutschland, der Sodomie-Paragraph im sowjetischen Recht, die Behandlung von Homosexualität als Krankheit - hinter diesen historischen Etappen stehen Millionen von gebrochenen Schicksalen.
“Was ich jetzt genießen kann, ich kann heute frei in Deutschland leben, ich kann eine Beziehung eintragen lassen, ich kann ein Kind bekommen, diese Rechte sind nicht von selbst entstanden. Die Menschen sind vor 20-30-50 Jahren auf die Straße gegangen, haben gekämpft und ihre Rechte verteidigt. Sie waren immer mit dem Unterdrückungsapparat konfrontiert und wir müssen dazu fähig sein, dieses Apparat erkennen zu können, damit der Druck nie wiederkommt. Die Deutschen sagen «Wehret den Anfängen der Gewalt». Und es gibt noch einen weiteren Punkt. Die Geschichte der LGBTIQ+-Bewegung wurde systematisch aus der allgemeinen Geschichte der Länder und der Welt ausradiert. Wenn wir diese Ereignisse in die historische Zeitleiste zurückbringen, machen wir vielen Menschen klar- Ich bin nicht allein, ich bin nicht verdorben, ich bin kein Fehler, ich bin Teil der Vielfalt des Lebens und ich habe ein Recht darauf“, sagt Wanja Kilber, Mitbegründer der russischsprachigen LGBTIQ+-Organisation Quarteera e.V.
Das Seminar wurde in Kooperation mit den Vereinen Quarteera e.V., Goluboy Wagon e.V. und Reforum Space Berlin organisiert. Im Anschluss an den interaktiven Vortrag fand ein kurzes Konzert des GraDiva-Duetts statt. Der Autor der Texte und Performer Wanja Matiuschkin ist einer der Aktivist*innen der Organisation Goluboy Wagon e.V.:
"Es war sehr wichtig für uns, im Reforum Space Berlin aufzutreten. Das Publikum, das hierher kommt, besteht größtenteils aus Menschen, die nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine aus Russland kamen. Sie teilen universelle Werte, aber sie wissen nicht immer viel über die LGBTIQ+ Bewegung. Für manche Menschen ist diese Stigmata, für manche Menschen war es ein Tabu, und es scheint uns wichtig zu sein, darüber zu sprechen und dieses Thema anzusprechen“.
Akustik im Wohnungsformat: queer-kantig-sozial - das Publikum mag die Lieder, und jetzt nimmt jeder im Saal sie auf. In Berlin gibt es am Vorabend der jährlichen Pride-Parade viele Sensibilisierungs- und Bildungsveranstaltungen, jetzt auch für das russischsprachige Publikum.
"Es gibt viele Menschen, die aus Post-Ost Ländern kommen, die durch LGBTIQ+-Propaganda eingeschüchtert wurden. Für uns in Deutschland ist es wichtig, dass die verschiedenen Zielgruppen Instrumente der politischen Bildung nutzen, damit wir einander verstehen, kommunizieren und zusammenleben können” - sagt Anastasia Sudzilovskaya, Leiterin des Projekts “Kompteneznetzwerk für das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft“ des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, in dessen Rahmen die Veranstaltung stattfand.