Erinnerungen an den Krieg - eine gemeinsame Pflicht der Russischsprachigen in Deutschland

Vorstand und Mitarbeiter*innen des BVRE e.V. · 

Das Jahr 1939 wurde zum Beginn eines sechs Jahre langen Schreckens. Der Zweite Weltkrieg kam ins Haus jeden Europäers und jeder Europäerin und brachte Tod, Zerstörung und unermessliches Leid. Im Juni 1941 wurde die Sowjetunion von dem Naziregime überfallen. Die totalitäre Armee ist eine Verlängerung der totalitären Ideologie und Naziregime wurde zu einer giftigen Metastase in den Köpfen der Deutschen der 30er Jahre und zu einem alltäglichen Alptraum.

Damals wurde Frieden mit Füßen getreten und der Krieg zerstörte die Menschlichkeit eines einfachen Menschen. Mehrere Gesellschaften in Europa fielen bereits vor dem Beginn des Krieges der totalitären Ideologie zum Opfer. Diese Ideologie versprach europaweit wunderbare Heilung von allen Sorgen und Frustrationen und vor allem Heilung von der Belastung der Freiheit, der Freiheit einer demokratischen Wahl und der eigenen Verantwortung. Das Gewicht der Freiheit ist besonders schwer und diese Freiheit wurde von den Armeen der Alliierten und von Millionen von Zivilisten und Zivilistinnen durch unermessliche Opfer und Heldentaten gerettet. 1945 wurde ein schreckliches Regime, kreiert durch Lügen, Hass, Rassismus, Antisemitismus und unzählige Phobien und Manipulationen, besiegt. Vorfahren heutiger Europäer und Europäerinnen haben ihr Leben für die Zukunft der Freiheit und Menschenrechte geopfert. In den Ruinen des Frühlings von 1945, in der Zerstörung und Verzweiflung war die Hoffnung auf Humanismus lebendig geblieben. Die Idee eines gemeinsamen friedlichen Europas ist nach der größten Katastrophe der europäischen Kulturgeschichte auferstanden. Diese Idee vertritt das Prinzip der Unantastbarkeit des Individuums, seines Lebens und seiner Würde sowie freier Entscheidung und Verantwortung für die Zukunft.

Schmerz und Verlust kannten keine Grenzen zwischen den Nationen und Kulturen. Hoffnung kennt auch keine Grenzen, weil Freiheit für alle gilt, das ist ein Recht für alle, das ist DAS Recht für alle!

Heutzutage sind lebendige Erinnerungen an die Schrecken des Krieges eine Pflicht, denn nur so retten wir Menschenrechte und Demokratie als unseren gemeinsamen Raum, in dem wir alle unsere Träume und Hoffnungen auf ein glückliches Leben realisieren können.

Das Glück unserer Kinder ist ohne lebendige Erinnerung an vergangene Kriege nicht möglich. Schwere Fragen sollen wir uns heute stellen: wie kann man den fragilen Frieden retten, wenn der vergangene Krieg und der Krieg von heute so nah passieren, auf der Frontlinie und in den Medien? Was tun, wenn die Stimme der Vernunft immer leiser wird und die Angst vor der Realität viele von uns in die dunklen Labyrinthe des Populismus und Fake News verführt? Wie kann man die Vernunft in der Zeit der globalen Konflikte retten? Wie kann man süßsaure Syrenenlieder von politischen Radikalen ignorieren, wenn diese unsere Traumata zynisch manipulieren?

Die Welt war immer kompliziert. Seit dem 24. Februar 2022 ist die Welt völlig anders geworden und alle bekannten Begriffe und Ideen sind in dem blutigen Massaker in der Ukraine verschwunden und haben an Bedeutungen verloren. Wir alle, seit unserer Kindheit an, waren daran gewöhnt, klar sagen zu können, wer für den Frieden auf der ganzen Welt ist und wer verbrecherische Kriege führt. Heute ist alles plötzlich anders geworden. Die Gesellschaft und der Staat, die in dem Zweiten Weltkrieg gigantische Verluste erlitten und Opfer gebracht haben, sind zur fürchterlichen Quelle des Angriffskrieges geworden. Russlands Regierung und ein großer Teil der Bevölkerung zerstören heute das Leben und die Welt der Nachkommen von ihren ehemaligen Mitsoldaten. Diese schrecklichen Metamorphosen machen einen wortlos und oft wütend und hilflos. In dem Kopf brennt nur ein Gedanke - wie kann man den Frieden restaurieren?

Die Antwort lautet - nur zusammen kann man den Frieden retten. Nur dadurch, dass wir unsere dunklen Räume des Schmerzens, der Wut und zerstörter Schecksäle unserer Vorfahren teilen. Nur dann verstehen wir, dass der heutige Krieg in der Ukraine der Krieg von uns allen ist. Nur alle Europäer und Europäerinnen zusammen können diesen Krieg stoppen. Wir dürfen unsere Vergangenheit und Erinnerungen nicht vernachlässigen. Jeder und jede kann sich gegen Hassrede und Kulturhierarchien, ethnische, kulturelle, religiöse Vorurteile währen. Meine Freiheit entsteht nicht auf Kosten der Freiheit von anderen.